14/02/2024
Wie verjähren Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer im Fall eines Forderungskaufs (Rechtskaufs), wenn die verkauften Forderungen tatsächlich gar nicht bestehen? Diese streitige Frage, die auch die Abgrenzung zwischen Mängelhaftungsrecht und allgemeinem Leistungsstörungsrecht berührt, hat der BGH jetzt entschieden: Einschlägig ist die allgemeine Verjährungsfrist aus §§ 195, 199 BGB, da kein Fall der Mangelhaftung, sondern der Nichtleistung (Übertragung der Forderung ist gem. § 275 BGB unmöglich) vorliegt - die Vorinstanz hatte das tatsächlich anders gesehen.
Auch eine analoge Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist aus § 438 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) BGB kommt nach Auffassung des BGH nicht in Betracht. Das Urteil ist auch deswegen besonders praxis- und prüfungsrelevant, weil der BGH lehrbuchmäßig die Voraussetzungen einer analogen Anwendung von Rechtsnormen (planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage) durchprüft und hier im Ergebnis ablehnt!
Etwas unsauber ist dagegen die (nur obiter) getroffene Aussage des BGH (Rn. 22 f.), im Fall einer bestehenden, aber mängelbehafteten Forderung richteten sich de Ansprüche auf Rückzahlung (§ 346 Abs. 1 BGB) nach den besonderen Verjährungsvorschriften des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts (§ 438 BGB). Denn tatsächlich ist auf den Rückgewähranspruch als solchen auch hier §§ 195, 199 BGB anzuwenden - § 438 BGB ist über § 218 BGB lediglich mittelbar relevant mit Blick auf die Wirksamkeit des Rücktritts als Voraussetzung für den Rückgewähranspruch.
LESENSWERT!
Urteil des VIII. Zivilsenats vom 18.10.2023 - VIII ZR 307/20 -
30/01/2024
Eine höchst interessante und äußerst praxis- und prüfungsrelevante Entscheidung im Kontext der bekannten "Ein- und Ausbaufälle" hat der BGH gestern veröffentlicht:
Die klagende Bauunternehmerin hatte von der beklagten Baustoffhändlerin Schotter bezogen, den sie für den Bau eines Park- und Containerverladeplatzes benötigte. Später stellt sich heraus, dass der Schotter asbestbelastet ist; die Bauherrin (und Grundstückseigentümerin) verlangt von der Klägerin Entfernung und Entsorgung des verbauten sowie die Einbringung neuen Schotters. Die dafür entstehenden Kosten verlangt die Klägerin nun von der Beklagten.
Mit Blick auf Ausbau- und Einbaukosten hatte die Vorinstanz (nach dem bis 31.12.2017 anwendbaren Kaufrecht) einen Anspruch auf §§ 280, 281 BGB geprüft und am Verschulden scheitern lassen. Die Anspruchsgrundlage hält offenbar auch der BGH für einschlägig (richtigerweise handelt es sich hier aber um einen Schadensersatz NEBEN der Leistung!), hält aber die Annahme für rechtsfehlerhaft, dass die Beklagte die mangelhafte Lieferung nicht zu vertreten habe. Die Beklagte müsse sich zwar das Verschulden des Herstellers nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen und sei im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten als Händlerin grs. auch nicht zur Untersuchung der Kaufsache verpflichtet gewesen. Etwas anderes könne sich aber neben bestehenden Anhaltspunkten für Mängel bei "besonders hochwertigen oder fehleranfälligen Produkten" o. bei "besonderer Sachkunde" des Verkäufers ergeben. Die Vorlage von Prüfzeugnissen und Lieferscheinen hält der BGH dabei nicht für eine ausreichend tragfähige Grundlage für die angenommene Widerlegung des (vermuteten) Vertretenmüssens.
Mit Blick auf die Kosten für die Entsorgung des belasteten Schotters spricht der BGH die streitige Frage an, ob der Verkäufer im Rücktrittsfall nicht nur zur Rückgewähr berechtigt (§ 346 I BGB), sondern auch verpflichtet ist. Diesen Meinungsstreit lässt er aber offen, weil sich im konkreten Fall jedenfalls ein Schadensersatzanspruch unter dem Aspekt der Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht im Rückgewährschuldverhältnis (§§ 280, 241 BGB) ergeben könne. Dagegen wird gar nicht angesprochen, ob die Kosten für die Entsorgung hier nicht ebenfalls bereits als Schadensersatz neben der Leistung wegen mangelhafter Lieferung ersatzfähig wären. Für den Kläger wäre das wegen des anderen Bezugspunktes für das Vertretenmüssen natürlich nachteilhaft - das Vertretenmüssen (auch) für den Mangel hält der BGH aber ja gerade noch nicht für widerlegt.
Relevant bleiben die Ausführungen jedenfalls auch im neuen Recht: Denn in dieser Konstellation (ohne gleichzeitig erfolgte Nacherfüllung durch die Beklagte) hätten der Klägerin wohl auch § 439 II BGB und 439 VI 2 BGB nicht geholfen..
Urteil des VIII. Zivilsenats vom 29.11.2023 - VIII ZR 164/21 -
30/10/2023
Sehr interessante Stellenausschreubung der Bundesnetzagentur, die sich neben Volljuristen vorrangig an Wirtschaftsjuristen (Master) richtet - Eisenbahnregulierung gehört zu den spannendsten Bereichen im öffentlichen Regulierungsrecht!
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27/09/2023
Die LTO schreibt über die immer weiter zunehmende Beliebtheit wirtschaftsrechtlicher Studiengänge und die Karriereaussichten für Wirtschaftsjuristen - Lesenswert!
Alternative zum StEx: Karriere für Wirtschaftsjuristen
Durch die Diskussionen um den Jura-Bachelor sind andere juristische Abschlüsse mehr in den Fokus gerückt. Wirtschaftsjuristen haben gute Karrierechancen.
31/07/2023
Ein klassisches und nicht leicht in den Griff zu kriegendes Problem des AGB-Rechts ist die Abgrenzung primärer vertraglicher Leistungsbeschreibungen (die gem. § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle unterliegen, allerdings gegen das Transparenzgebot verstoßen können) von solchen Klauseln, die (wie etwa Preisnebenabreden) Hauptleistungspflichten lediglich einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren und daher nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB vollständig der Inhaltskontrolle unterworfen sind.
Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des BGH widmet sich dieser schwierigen Abgrenzung lehrbuchmäßig mit Blick auf eine sog. "erweiterte Schlüsselklausel" in einem Hausratsversicherungsvertrag, der dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz u.a. für durch Einbruch verursachte Schäden auch bei Verwendung "richtiger Schlüssel" durch den Täter jedenfalls dann gewährte, wenn dieser die Schlüssel ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers an sich gebracht hat.
Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Klausel gem. § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle entzogen ist. Schutzzweck der Inhaltskontrolle sei nämlich, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders "vor einer einseitig ausbedungenen, inhaltlich unangemessenen Verkürzung der vollwertigen Leistung, wie er sie nach Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten darf" geschützt wird. Das sei bei der (erweiterten) Schlüsselklausel aber nicht der Fall, da der mittels eines zuvor entwendeten richtigen Schlüssels verübte Diebstahl schon nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht unter die schlagwortartig umschrieben Gefahr des Einbruchsdiebstahls falle und die in der Schlüsselklausel vorgesehenen Einschränkungen bei der von ihr erfassten Tatmodalität (insbes. bei Fahrlässigkeit des VN) daher schon schutzwürdige Erwartungen des Versicherungsnehmers auf einen bestehenden Versicherungsschutz nicht verletzen könnten.
Praxis- und prüfungsrelevant und (auch) daher sehr lesenswert!
Urteil des IV. Zivilsenats vom 5.7.2023 - IV ZR 118/22 -
25/07/2023
Die Abgrenzung zwischen Schadensersatz statt und neben der Leistung ist auch 13 Jahre nach der Schuldrechtsreform immer noch umstritten. Relevant ist diese Abgrenzungsfrage aber durchaus, weil zum einen im Fall eines (berechtigten) Schadensersatzverlangens statt der Leistung der Erfüllungsanspruch untergeht, § 281 Abs. 4 BGB (und umgekehrt nach Erfüllung auch kein Schadensersatz statt der Leistung mehr verlangt werden kann), zum anderen aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen unterschiedlich sind. Wer Schadensersatz statt der Leistung geltend macht, kann dies grundsätzlich erst nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Nachfrist tun (§ 281 Abs. 1 BGB) - es sei denn, die Nachfrist wäre im Einzelfall entbehrlich (§§ 281 Abs. 2, 28, 440 BGB).
Dass sich auch die Gerichte mit der Abgrenzung schwer tun, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH: Streitgegenständlich war hier ein Transportvertrag, der den Auftragnehmer zum Transport von für die Herstellung von PKW in Mexiko benötigten Komponenten aus Deutschland verpflichtete. Nachdem sich abzeichnete, dass der Transport wegen eines Maschinenschadens des vorgesehenen Containerschiffs nicht würde pünktlich durchgeführt werden können und der Auftragnehmer auch eine Versendung der am dringensten benötigten Teile als Luftfracht abgelehnt hatte, beauftragte die Auftraggeberin (wohl noch vor Fälligkeit der Transportleistung) eine andere Spedition mit der Luftbeförderung von Produktionsteilen gleicher Art, um einen Produktionsstillstand und daraus folgende Haftungsschäden zu vermeiden. Die beklagte Auftragnehmerin wurde auf Zahlung der erforderlichen Mehrkosten für die Luftbeförderung iHv US$ 12.600 in Anspruch genommen.
Der BGH hält den Anspruch für begründet: Es handele sich um einen Verzögerungsschaden, da die Kosten der Luftbeförderung aufgewandt worden seien, um im Rahmen einer Schadensminimierung höhere Haftungsschäden zu vermeiden (die wiederum gem. §§ 280 1,2, 286 BGB ersatzfähig gewesen seien). Unschädlich sei daher auch, dass die Mehrkosten in zeitlicher Hinsicht nicht durch den Verzug verursacht worden seien - da sie der Abwendung ansonsten angefallener Verzögerungsschäden gedient hätte, seien sie "aus Rechtsgründen als durch den Verzug adäquat-kausal verursacht" anzusehen; die Mahnung wiederum hält der BGH gem. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB für entbehrlich.
Mit dem gl. Argument lehnt der BGH auch das Arg. der Bekl. ab, bei den Mehrkosten für den Lufttransport handele es sich um einen SE statt der Leistung (der nicht verlangt werden könne, weil die Auftraggeberin weiter die Erfüllung des Transportvertrages verlangt und die Auftragnehmerin ihre Verpflichtung (wenn auch verspätet) durch den Transport der beiden maßgeblichen Container per Schiff schließlich noch erfüllt habe). Nicht einschlägig sei die Rechtsprechung, nach der Ersatz für Mehrkosten von Deckungskäufen SE statt der Leistung darstelle, weil die Kosten für den Lufttransport nicht aufgewendet worden seien, "um überhaupt eine Beförderungsleistung zu erhalten, sondern (...) einen Verzögerungsschaden zu vermeiden".
Mit Blick auf die bislang auch vom BGH angewendeten Abgrenzungskriterien zwischen Schadensersatz statt und neben der Leistung kann man das sicherlich auch anders sehen. In jedem Fall ist die Entscheidung höchst interessant - nicht zuletzt, weil der BGH letztlich erstmals wohl generell vor Pflichtverletzung angefallene Aufwendungen für ersatzfähig hält, wenn sie der Verhinderung ansonsten anfallender Schäden dienen. Das stellt im Ergebnis eine erhebliche Ausweitung der bislang anerkannten Fallgruppen (etwa Vorhaltekosten für Reservefahrzeuge) dar.
LESENSWERT!
Urteil des I. Zivilsenats vom 20.4.2023 - I ZR 140/22 -
21/07/2023
Ein heute veröffentlichtes Urteil des BGH beschäftigt sich mit den mittlerweile schon fast zu Klassikern mutierten sog. "Ein- und Ausbaufällen" im Kaufrecht - allerdings in einer interessanten neuen Konstellation. Klausurrelevanz extrem hoch, aber auch für die Praxis sehr relevant ..
Die Klägerin hatte bei der Beklagten Edelstahlrohre bestellt, die sie als Werkunternehmerin für die Herstellung und den anschließenden Einbau von Rohrleitungssystemen in Kreuzfahrtschiffe benötigte. Die von der Beklagten gelieferten Rohre schweisste die Klägerin im Rahmen der Vorfertigung der Rohrleitungssysteme vor deren Einbau in die Kreuzfahrtschiffe zusammen. Dabei entdeckte sie Materialfehler der Rohre und baute die Rohrteile daher wieder auseinander - auch um weitere von ihr benutzte Bauteile für die erneute Vorfertigung mit nachgelieferten Rohren wiederverwertet zu können. Von der Beklagten verlangte sie nun knapp 1,4 Mio. für den dadurch entstandenen Aufwand.
Einen Schadensersatzanspruch (neben der Leistung) aus §§ 437 Nr. 3, 280 BGB kann die Klägerin nicht geltend machen. Zwar waren die gelieferten Rohre mangelhaft (§ 434 BGB). Es fehlt aber am erforderlichen Verschulden (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), weil sich die Beklagte (die die Rohre nicht selbst hergestellt, sondern von einem indischen Hersteller bezogen hatte) das Verschulden des Herstellers nicht gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss.
Wie sieht es aber mit einem verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruch aus § 439 Abs. 3 BGB aus, der für Kosten gewährt wird, die dem Käufer durch den Ausbau der mangelhaften und den erneuten Einbau einer mangelfreien Kaufsache entstehen, wenn die Kaufsache "gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht (wird), bevor der Mangel offenbar wurde"?
Das Berufungsgericht hat das abgelehnt: Schließlich habe die Klägerin die gekauften Rohre nicht in eine andere (!) Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht - sondern die gelieferten Rohre im Rahmen der Vorfertigung VOR dem Einbau in das Schiff ja letztlich nur miteinander verbunden.
Der BGH sieht das anders: Der Einbauvorgang könne nicht auf seine Schlussphase reduziert werden, sondern erfasse schon die Vorstufe, in der Bauteile zusammengefügt und für die Endmontage vorbereitet werden. Auch das Argument der Beklagten, selbst bei einem Einbau direkt in das Schiff wären nur die Kosten für das bloße Heraustrennen der gesamten Rohrleitungssysteme mit den mangelhaften Rohren und ihr neuer Einbau mit mangelfreien Rohren in das Schiff zu ersetzen gewesen, überzeugt den BGH nicht: Diese Sichtweise lasse "außer Acht, dass bei einem solchen Normverständnis die vom Gesetzgeber bezweckte Entlastung der Werkunternehmer nicht ausreichend erreicht" würde.
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=134196&pos=11&anz=1107
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